"Ich trage Armani und du die Maschinenpistole." Als Don Johnson in den achtziger Jahren diesen Satz in einer der ersten Folgen von "Miami Vice" nuschelte und damit einen italienischen Modeschöpfer auch beim breiteren Publikum Krimiserien-kompatibel machte, da hatte es der 1934 in Piacenza geborene, autodidaktisch ausgebildete Schneider geschafft. Er wurde auch für Otto-Normal-Verbraucher zum Markenzeichen und Statussymbol. Was sich insbesondere darin niederschlug, dass damals, ungeachtet der dann bei "Miami Vice" meist getragenen Florida-Cops-Outfits mit rosa T-Shirts und aufgekrempelten Ärmel, die einfach besser zu Flamingos und Palmen im Sonnenuntergang passen, beinahe jede zweite Frau, ziemlich vehement nach "Armani Woman" roch.
Nicht nur das. In diesen Jahren, wo man nicht nur konsumierte, sondern endlich auch - partiell - geschmacklich gereift war, entdeckten Arztgattinnen die bis heute wunderbar figurschmeichelnde Eleganz mit Understatement und erlesen verarbeiteten Stoffen verschmelzende Unwiderstehlichkeit von Armani-Abendroben. Die erstarkte Businessfrau hingegen fühlte sich in Armani-Anzügen und Kostümen wie in einer Uniform taff unterkühlt und textil gewappnet; ließ sich bisweilen sogar zu Frivolitäten wie dem Damensmoking hinreißen.
Bei den Männern machte ebenfalls das bequeme und doch tadellose Gala-Outfit Furore. Tagesanzüge ohne Schulterpolster, in weitem Schnitt und kartoffelsackartiger Linie allerdings sahen eher nach Uniprofessoren aus, welche sich diese freilich nie leisten wollten und konnten. Und für jugendlich virile Modeopfer ließ sich vom Ferienjob-Geld zumindest einer dieser extrem lebhaft gemusterten Wollpullover mit den hohen Kragen erwerben.
Die Trendsetter hatte Armani schon vorher erreicht. Der in Paul Schraders an Rollenmodellen wackelnde "Mann für gewisse Stunden" (1980) trägt nicht nur in Gestalt des damit berühmt gewordenen Richard Gere als Hengst zum Mieten die teure Italo-Mode, sondern auch das schauspielernde Model Lauren Hutton als souverän ihren Gigolo dirigierende Kundin. Und 1986 schossen in Brian de Palmas Film "The Untouchables" Sean Connery, Kevin Costner und Andy Gardia in feinstem Armani-Tweed ihren weniger gut gekleideten Mafia-Vorbildern hinterher.
Da hatte sich der nunmehr von Mailand bis nach Hollywood reichende Armani-Kreis schon fast wieder geschlossen. Denn vor allem in den Achtzigern, die eben nicht nur so schrill geschmacklos waren, wie es uns heute die unsäglichen TV-Nostalgieshows ästhetisch eintrichtern wollen, da war er wirklich groß in Mode. Weil er als Modeschöpfer die Unauffälligkeit predigte: die Qualität des Materials statt den Aufsehen erregenden Auftritt, den inneren Wert einer gekonnten Silhouette statt aufgeplusterte Stoffspielerei, die puristisch geschlossene Form statt vulgärer Stilmixtur, koloristische Nuancierung statt Farbenrausch, Minimalismus statt neobarocke Schnörkel.
Schon in den neunziger Jahren war Armani hingegen ein vor allem bewunderter, aber kaum noch innovativer Klassiker. Was besonders auffiel, wenn Jodie Foster zur Oscar-Verleihung mit einem Armani-Outfit erschien, das ihre eisgekühlte Schönheit unauffällig nur noch schärfer konturierte. Und auch Julia Roberts trug, als sie endlich den Oscar küssen durfte, eine minimalistisch-schwarze, einfach perfekte, vom Meister gerne gratis bereit gestellte Armani-Robe.
Im neuen Jahrtausend aber entrückte Giorgio Armani. Nicht nur wegen seiner neuen Nase und den ewigen T-Shirts über dauergebräunten Armen, die die vorgebliche Alterslosigkeit des Greises nur noch unerbittlicher als artifiziell offenbaren. Armani ist in einer wieder stärker mit Körperflüssigkeiten aufgeladenen Zeit nicht mehr verführerisch; echt sexy war er sowieso nie. Bauchfrei passt zu ihm nicht wirklich, die Killerstiletto- und Lederlinie des gern mit pornographischen Stilmetaphern spielenden Rivalen Gucci und seines ehemaligen Stylisten Tom Ford ist nicht seine Welt.
Doch die mit ihm alternden Kunden bleiben ihm als gutem Lebenslagenbegleiter treu. Giorgio Armanis immer noch zulegendes, als Markenartikel bestens positioniertes Imperium floriert. Die Lizenzen bringen viele Euro ein, denn mit Unisex-Armani-Düften und -Brillen schmückt sich inzwischen jede(r) stilbewusste Sparkassenangestellte(r). Armani ist eine Lebensauffassung geworden. In den natürlich in der Armani-Signal-Farbe "Greige", einer Mischung aus Braun und Beige, gehaltenen Flagship-Stores gibt es Armani-Bettwäche zum Kuscheln, Armani-Dolci zum Naschen, Armani-Duftkerzen zum Wohlfühlen. Mit Armani Collezioni, Armani Jeans, Emporio Armani und A/X kann mit den Zweitlinien jedem Geldbeutel und jedem Alter geholfen werden.
So ähnelt Giorgio Armani einer über dem Alltagsgetümmel der Alta Moda und der Mailänder Schauen schwebenden Ikone, die durch die von Robert Wilson und der Guggenheim Foundation inszenierte Ausstellung von New York über Bilbao, Berlin bis London auf einen greigen Sockel gestellt wurde. Ist Papst und Pate zugleich. Er hat das einigermaßen in Würde geschafft.
Doch kreative Impulse scheinen von Giorgio Armani, dem neben Dior, Givenchy, Saint-Laurent und Vivienne Westwood vielleicht einflussreichsten Modeschöpfer und Dekonstruktivisten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der am Sonntag siebzig Jahre alt wird, nicht mehr auszugehen. Wer gerne italienische Mode trägt, kauft ihn weiter, wer mit der italienischen Mode gehen will, muss sich heute an Prada, Dolce & Gabbana oder Roberto Cavalli halten.
Artikel erschienen am 10. Juli 2004: © WELT.de