현대를 진단한 위기사회라는 저서로 유명한 울리히 벡이 이 진단을 범지구적으로 확대시킨 신간을 냈다고 한다. 벨트지에서 인터뷰. 표제어는 위기가 있는 곳에서 구원도 자란다. 그렇잖아도 70년뒤 지구 생물의 대부분이 멸종한다는 위협적인 진단이 내려지고 있는 마당에 그의 말이 현실화되기를 바랄 뿐.
Mit seiner "Risiko- gesellschaft" pragte Ulrich Beck ein erfolgreiches Schlagwort. Jetzt legt er nach. In seinem Buch "Weltrisikogesellschaft" und im Gesprach mit WELT ONLINE erweitert er die Theorie global. Wieviel Chancen liegen in der Klimakatastrophe?
Foto: DPA
"Wir reden uber eine Zukunft, uber die wir letztlich nichts wissen konnen." Da kann der Rhein schon mal austrocknen
Ulrich Beck, geboren 1944 in Stolp (Hinterpommern), ist einer der fuhrenden deutschen Gesellschaftstheoretiker und Professor fur Soziologie in Munchen und an der London School of Economics. Er gilt als Fursprecher einer reflexiven Modernisierung und des heftig umstrittenen Grundeinkommens.
WELT ONLINE: Ihr Bestseller ?Risikogesellschaft“ wurde vor dem Hintergrund der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl gelesen. Heute debattieren wir uber die weltweiten Folgen des Klimawandels. Wo liegen in soziologischer Sicht die Unterschiede?
Ulrich Beck: Der zentrale Punkt ist, dass wir nicht mehr in der Lage sind, die Folgen der industriellen Entscheidungen im nationalen Rahmen angemessen zu beobachten und politisch zu beantworten.
WELT ONLINE: Aber das zeigte sich doch schon in den achtziger Jahren.
Beck: In Ansatzen ? gerade am Beispiel Tschernobyls. Dennoch schrieb ich die ?Risikogesellschaft“ letzten Endes aus der uberraschten Perspektive einer nationalstaatlichen Idylle. Inzwischen haben sich nicht nur die Katastrophen globalisiert, sondern daruber hinaus hat sich die allgemeine Erwartung solcher Katastrophen global stabilisiert.
WELT ONLINE: Wie kann man die ?Weltrisikogesellschaft“ definieren?
Beck: Wir leben in einer Gesellschaft, die durch die fortwahrende Voraussicht auf weltweite Gefahren so sehr in den Bann geschlagen ist, dass sie ihre eigenen Grundlagen in Frage stellt. Sei es der internationale Terrorismus, sei es die globale Erwarmung. Diese Gesellschaft hat ein Doppelgesicht. Das eine Gesicht ? fast wurde ich sagen: die eine Fratze ? ist die Angst, die mit der Antizipation von Katastrophen geschurt wird, mit allen politischen Konsequenzen. Die andere Seite ist, dass mit dieser Antizipation von Katastrophen eine neue Art erzwungener Aufklarung einhergeht.
WELT ONLINE: Inwiefern?
Beck: Denken Sie daran, wie unter dem Einfluss des Hurrikans Katrina sowohl in den USA wie auch weltweit der Schrecken uber das rassistische Gesicht der Armut in USA uberall prasent war. Unter den Bedingungen der omniprasenten Gefahr kommen Stimmen im offentlichen Raum zur Sprache, die sonst dort nicht zu horen sind. Augenblicksweise kommt es zu einer Aufklarung uber Zustande, die sonst verdeckt bleiben und auch verheimlicht werden. Durch globale Risiken werden wir gezwungen, die kulturell anderen in unsere Wahrnehmung einzubeziehen. Das lasst sich am Beispiel der Klimakatastrophe, aber auch am Beispiel des Tsunamis in Asien zeigen. Die Risikofixierung hat eine gemeinschaftsstiftende Kraft, und zwar uber nationale Grenzen hinweg.
WELT ONLINE: Terroristische Risiken sind intendiert, okologische nicht ? es bestehen erhebliche Unterschiede. Wo liegt der gemeinsame Nenner?
Beck: Wir mussen deutlich zwischen Katastrophe und Risiko unterscheiden. Risiken sind antizipierte Katastrophen. Entscheidend ist, dass sie vergegenwartigt werden, damit sie nicht eintreten, und in diesem Sinne wirken sie direkt auf die Vorstellung, die Einstellung und insbesondere auch das Handeln der Individuen und Institutionen ein.
WELT ONLINE: Welche Folgen haben die globalen Risiken fur unser Handeln?
Beck: Menschen glauben plotzlich an Ereignisse, die außerhalb ihres Lebens- und Erfahrungshorizontes liegen ? und die dennoch dazu fuhren, dass sie mehr oder weniger konsequent von ihrem bisherigen Lebensstil und ihrem bisherigen Erwartungen an Freiheit und Wohlstand Abschied nehmen.
WELT ONLINE: Hat die Klimadebatte eine metaphysische Dimension?
Beck: In gewissem Sinne ja. Wir reden uber eine Zukunft, uber die wir letztlich nichts wissen konnen. An die Stelle eines handfesten Faktenwissens treten Vermutungen und Szenarien, an die wir glauben mussen, um das Schlimmstmogliche zu verhindern.
WELT ONLINE: Sie beschreiben einen Paradigmenwechsel: den vom Kompensations- zum Vorsorgeprinzip.
Foto: pa/dpa
Ulrich Beck
Beck: Wir haben in der industriellen Moderne ein hochdifferenziertes System, um mit den unsicheren Folgen von Entscheidungen im Modernisierungsprozess umzugehen. Ein Beispiel ist der Verkehrsunfall. Wir wissen, dass Tausende von Menschen in diesem Land jahrlich daran sterben ? und dass es trotzdem als normales Ereignis hingenommen wird. Es gibt Schaden, die man verringern sollte ? und man tut auch sehr vieles dafur ?, aber die Unfalle konnen passieren, weil man davon ausgeht, dass sie letzten Endes finanziell und technisch kompensierbar sind. Dieses Prinzip ist durch die neuartigen Gefahren außer Kraft gesetzt ? und damit die gesamte Logik, mit der wir bisher gehandelt haben. Wenn es richtig ist, dass Terroristen in irgendeinem Stadium tatsachlich uber Massenvernichtungswaffen verfugen, dann wird es zu spat sein. Wenn es richtig ist, dass die Klimakatastrophe irgendwann einen bestimmten Punkt der Zerstorung erreichen kann, dann wird es zu spat sein.
WELT ONLINE: Was folgt daraus?
Beck: Es bedeutet, dass etwas gar nicht passieren darf. Das aber bedeutet auch, dass wir keine Erfahrungsgrundlage mehr haben. Ausgerechnet bei den großten Gefahren greifen unsere Maßstabe und Mittel der rationalen Verarbeitung von Unsicherheiten zu kurz. Das ist neu.
WELT ONLINE: Es gibt auch eine okonomische und politische Seite. Die Weltrisikogesellschaft, schreiben Sie, sei ?big business“.
Beck: Plotzlich wird es notwendig, die Menschheit zu retten. Aus diesem hohen Wert lassen sich Prestige, Machtchancen, neue Institutionen, neue Kooperationsmoglichkeiten und damit auch ein politischen Mehrwert im transnationalen Bereich gewinnen.
Beck: Ende Januar war ich vom franzosischen Prasidenten Jacques Chirac in den Elysee-Palast eingeladen ? zu dem Zeitpunkt, als das UN-Gremium uber Klimapolitik seine Ergebnisse vorgetragen hat. Parallel hatte Chirac eine Konferenz von Umweltexperten aus den verschiedensten Bereichen der internationalen Gesellschaft einberufen, etwa 100-120 Leute. Es war keine normale Konferenz. Wir fuhren mit Polizeieskorte uber die roten Ampeln von Paris und wurden mit geschwungenen Sabeln im Elysee-Palast willkommen geheißen. Und Chirac hielt eine uberzeugende Rede uber die Dringlichkeit der Klimapolitik fur Frankreich und die Welt uberhaupt: Vive la revolution! In Deutschland verstehen wir erst in Ansatzen, dass die Klimapolitik eine Sinnressource fur die delegitmierte und von Vertrauensverlust gezeichnete Politik darstellt.