'야경'에 해당되는 글 1건
- 2004.06.27 :: Und ringsum erglüht eine Galaxie
Geplant, gebaut, verschrottet: Der Fotograf Peter Bialobrzeski feiert in seinem Buch "Neontigers" die Hochhauslandschaften der Metropolen Asiens
Meist ist es dieser Moment bei Einbruch der Dunkelheit, in dem man sich in eine asiatische Metropole verliebt. Einen Monat wohnte ich in einem Wolkenkratzer in Asien. Tagsüber waren er und seine Kollegen in dichten grau-rosa Nebel gehüllt. Nach Einbruch der Dunkelheit aber wurde die Luft schlagartig klar, die Lichter gingen an, und ringsum erglühte eine ganze Galaxie: Shanghai.
In so einem Moment ist es wahrscheinlich auch dem Fotografen Peter Bialobrzeski passiert, und das Ergebnis dieses Flirts heißt "Neontigers" - ein Fotoband über die asiatischen Megacitys, ihre neonhellen Lichtpaläste und die halbdunklen Räume dazwischen.
Shanghai, Hongkong, Singapur, Shenzhen, Bangkok, Kuala Lumpur: In diesen "Tigerstädten" ist nicht nur dem ökonomischen Wachstum keine Grenze gesetzt, auch die Gesetze der Physik scheinen außer Kraft. Taipei und Shanghai liefern sich Wettläufe um den höchsten Wolkenkratzer der Welt. In Hongkong sind Hochhäuser durch Walkways verbunden, sodass die Passantenströme nicht einmal mehr die Straße berühren. In der chinesischen Retortenstadt Shenzhen wird so schnell gebaut, dass oft essenzielle Dinge auf der Strecke bleiben, wie der Lift in einem fünfzehnstöckigen Hochhaus. Zweckmäßigkeit ist zweitrangig beim bonbon-bunten Bauboom in Asien, und genau das ist es, was diese Städte so erregend schrecklich schön macht, wie "Neontigers" sie zeigt.
Genau das ist es auch, womit westliche Architekten, von nahezu unbegrenzten Möglichkeiten nach Asien gelockt, trotz aller Begeisterung kämpfen müssen. Zum Beispiel die beiden Deutschen Albert Speer und Meinhard von Gerkan, die in China Millionenprojekte planen: Sie sind es nicht gewohnt, für die kurzen, schillernden Momente zu bauen. Schließlich haben sich in Europa architekturästhetische Maßstäbe über Jahrtausende aus einem Bedürfnis nach Sicherheit und Qualität entwickelt. In Asien dagegen wurden Häuser selten für die Ewigkeit gebaut, es sei denn, der Kaiser war Hauptmieter. Ein klassisches japanisches Haus aus Holzrahmen, Papierwänden und Tatamimatten war dazu bestimmt, sich alle paar Monate zu häuten, zu erneuern wie eine Schlange. Ästhetik entstand aus Vergänglichkeit.
Der europäische Architekt jedoch baut, damit es hält. Ihn schmerzt die asiatische Nonchalance: "In fünf Jahren ist das alles Bauschutt!" klagte ein bayerischer Ingenieur in Shanghai und deutete auf die Hochhauskulisse. "Na und?" würde sein chinesischer Kollege entgegnen. "In fünf Jahren ist das Bauland hier fünfmal so viel wert wie das Haus, das darauf steht, und dann reißen wir es eben ein!"
Nicht dass die Asiaten keine Beziehung zu ihren Häusern hätten. Aber ihre Hochhäuser träumen nicht von der Vergangenheit, sondern von einer noch gigantischeren Zukunft oder einer noch poetischeren Gegenwart. In Europa ergibt sich die Poesie eines Hauses aus seinem Material, seinem Kontext, seinen subtilen architektonischen Zitaten. In Asien greift man tief und beliebig in die Symbolkiste der Welt und der eigenen Kultur, und je bunter die Assoziation, desto besser. Für das Ensemble aus mächtig dahinwalzendem Huangpu-Fluss und dahinter aufragendem "Oriental Pearl Tower", dem Fernsehturm der Superlative, der ein wenig aussieht wie ein riesiger Bubblegum am Stiel, haben die Shanghaier die Metapher "Drache, der mit der Perle spielt" gewählt.
Hochhäuser sind Symbole. Symbole der Macht. Symbole einer besseren Zukunft. So spart man gern bei den unwichtigen unteren fünfzig Stockwerken und setzt dafür einen richtigen Knaller obendrauf: Die Hochhäuser in Shanghai werden gekrönt von Pagodendächern, futuristischen Teufelshörnern, Miniausgaben der Akropolis oder gigantischen Triumphbögen, während unten der Kabelsalat zwischen Betonelementen hervorquillt.
Die Zwischenräume: Auch davon erzählt "Neontigers". Von den Menschen, für die immer Dämmerung herrscht, weil ihre Wohnung irgendwo im achtzehnten Stock genau zwischen Himmel und Hölle liegt. Weil bei Tag der Smog den Himmel verschleiert und nachts die Lichter nie ausgehen in den "vertical villages". Tatsächlich hat das Hochhausleben in Asien nichts von der Gettotrostlosigkeit westlicher Großstädte an sich. Das liegt auch daran, dass der Staat trotz aller ökonomischen Freiheit allgegenwärtig ist.
In Singapur, im Kapitalismus mit sterilem Antlitz, kann eine weggeworfene Zigarettenkippe in den Knast führen. In Shanghai, im Kommunismus mit kapitalistischem Antlitz, wird nicht ganz auf die alten maoistischen Mittel zur Gliederung und Bespitzelung des Volkes verzichtet. Immer bewacht irgendjemand irgendetwas, denn an schlecht bezahlten Bediensteten mangelt es nie. Wachleute, Türmänner und Fahrstuhlführer: Die "Weißen Handschuhe" sind Diener und Herrscher zugleich, sie halten die Stadt in Bewegung, genauso wie die Bauarbeiter, die zu zigtausenden auf den riesigen Baustellen, zum Beispiel im neuen Shanghaier Megastadtteil Pudong, arbeiten und schlafen.
Diese Bauarbeiter bauen vielleicht gerade das Haus, in das sie mit viel Glück einst selbst einziehen werden, denn fast jeder in China will in einem Hochhaus leben. In ein Hochhaus zu ziehen heißt, sich aus der Armut zu befreien. Fern ihrer Metropolen müssen sich die "Tigerstaaten" noch aus bitterster Armut befreien, und dafür wird im Dienste des Fortschritts hemmungslos gebaut, abgerissen, geheizt, gekühlt und verschrottet. Auch das schmerzt deutsche Architekten. Meinhard von Gerkan etwa will mit seiner "Luchao Harbor City" eine Stadt bauen, die nicht an ihren eigenen Abgasen erstickt und deren Häuser eine vernünftige Energieversorgung haben. Und Albert Speer versucht, deutsche Qualitätsmaßstäbe auf sein Projekt "New Town" Anting anzuwenden.
Dieser Art Fortschritt wird Asien eines fernen Tages huldigen. Wahrscheinlich werden die Hochhäuser dann stabiler, funktionaler und gediegener sein. Vielleicht aber auch nicht mehr so schön. Das klingt, zugegeben, ein wenig irrational. Auch Bialobrzeskis Fotos sind irrational. Ihre lange Belichtungszeit verfremdet die Betonblocks zu Symphonien in Pastell, wischt Autos und Menschen aus den Straßen. So scheinen die Megacitys zu einer einzigen großen Neonstadt zusammenzuwachsen, einer Stadt geboren aus der Fantasie des Fotografen.
Das ist Absicht, und das ist in Ordnung: Der Mann ist ganz offensichtlich verliebt. Es ist seine Stadt. Genau wie ich verliebt bin und es meine Stadt ist. Schließlich habe ich einen ganzen Monat in einem von Dunst umwallten und von Highways umrauschten Wolkenkratzer in Shanghai verbracht, um jeden Abend vor dem Fenster meine eigene schreckliche, schöne galaktische Stadt aus Millionen von Lichtern entstehen zu sehen.
Malin Schwerdtfeger ist Schriftstellerin. Ihr neues Buch "Delphi" (Kiwi) erscheint im August
"Neontigers" von Peter Bialobrzeski, Hatje Cantz, 39,80 Euro
Artikel erschienen am 27. Juni 2004: © WAMS.de 1995 - 2004
'your eyes > issue' 카테고리의 다른 글
과장된 슬픔, 또는 대면하는 척 외면하기 (0) | 2004.06.30 |
---|---|
개구장이 스머프에 대한 고찰 (3) | 2004.06.30 |
오늘은 간다 (0) | 2004.06.16 |
솔직한 평가 (1) | 2004.06.03 |
수적(手跡) (0) | 2004.05.31 |